27.10.2020
Immer mehr Ausfälle und Verlegungen – Flickenteppich an behördlichen Vorgaben
Rheinland-Pfalz. Die ersten Bundesländer haben bereits die Notbremse gezogen. In Bremen, Hamburg und dem Saarland wurde aufgrund der rasant steigenden Corona-Zahlen der Fußball-Spielbetrieb auf Amateurebene zunächst für zwei Wochen ausgesetzt – in der Hoffnung, dass dann wieder der Ball rollen kann. Angesichts der aktuellen Entwicklungen dürfte dies ein frommer Wunsch bleiben. Vielmehr deutet sich auch hierzulande an, dass der Fußball schon bald wieder eine Zwangspause verordnet bekommen könnte.
In einzelnen Kreisen (Neuwied, Birkenfeld) hatten die Behörden bereits die Rote Karte gezückt, wobei in Birkenfeld die Aussetzung des Spielbetriebs sogar auf zwei Wegen beschlossen wurde: Der Landkreis lässt bei Wettkämpfen nur 25 Personen zu – inklusive Schiedsrichtern, Betreuern und Ersatzspielern zu wenig für Fußball. Zudem haben alle Vereine des Fußballkreises für eine Aussetzung gestimmt, weil sie Geisterspiele nicht für umsetzbar halten. Ohne die Zuschauereinnahmen und den Verzehr von Getränken sowie der obligatorischen Bratwurst laufen den Klubs die Kosten davon. Ähnlich wie im öffentlichen Leben haben die Bestimmungen auch im Fußball einen Flickenteppich entstehen lassen, der von den Aktiven Improvisationstalent erfordert und gleichzeitig zu skurrilen Begebenheiten führt. So ist Oberligist SV Alemannia Waldalgesheim bereits in Spielkleidung zur Partie beim SV Gonsenheim gefahren – und anschließend ungeduscht wieder nach Hause. Der Grund: In Mainz gilt neben dem Zuschauer- auch ein Kabinenverbot. Für die Halbzeitpause wurde den Gästen aus Waldalgesheim wegen des Regens ein Zelt mit Heizstrahler zur Verfügung gestellt. Aber kann das mit Blick auf den nahenden Winter die Lösung sein?
„Solange die Verfügungen Training und Wettkampf im Fußball nicht untersagen, wird der FVR keine Maßnahmen ergreifen, die seinen Vereinen die Möglichkeit nimmt, Trainings- oder Wettkampfsport auszuüben.“
Während es rund um Koblenz bis auf die inzwischen beendete Quarantäne von Regionalligist Rot-Weiß Koblenz bislang relativ ruhig blieb, stand zuletzt auch der Kreis Altenkirchen als Corona-Hotspot nach einer großen Hochzeit in den Schlagzeilen. Die Verwaltung reagierte und zog eine regionale Grenze um seine Kreisstadt, in der aktuell andere Maßstäbe gelten als im Rest des Gebietes. Für die SG Neitersen/Altenkirchen, immerhin in der sechstklassigen Rheinlandliga aktiv, bedeutet das, nach behördlicher Anordnung quasi ohne Zweikämpfe trainieren und ohne Zuschauer spielen zu müssen. Das Aberwitzige: Während die Partie gegen den SV Windhagen als Geisterspiel über die Bühne gehen musste, darf die SG Neitersen am kommenden Wochenende mit seinem gesamten Anhang zum Kreisderby ins 20 Kilometer entfernte Malberg reisen. Auf Auswärtsfahrten, so scheint es, kommt Corona nicht mit. Apropos auswärts: Da vielerorts das Training nur eingeschränkt erlaubt war und ist, hat sich ein wahrer Trainingstourismus entwickelt. In der Not, weiter spielen zu müssen, wurden Einheiten kurzerhand auf die andere Seite der Kreisgrenze gelegt. Auch im Spielbetrieb sehen sich die Vereine gezwungen, nach Lösungen zu suchen, die ihnen zumindest ein paar Einnahmen ermöglichen. So verlegte Bezirksligist SG Ellingen/Bonefeld/Willroth sein Heimspiel gegen die SG Bornich/Reitzenhain/Bogel von Straßenhaus (Kreis Neuwied), wo Publikum ausgeschlossen ist, nach Willroth (Kreis Altenkirchen), wo Zuschauer außer im direkten Umkreis von Altenkirchen noch erlaubt sind. Pech für Ellingen: Weil es bei den Gästen aus dem Rhein-Lahn-Kreis kurz vor dem Spiel einen Corona-Fall gab, wurde die Partie doch abgesetzt.
Nun könnte man über manchen Fall schmunzeln, wenn die Dinge nicht einen ernsten Hintergrund hätten: Es geht um die Gesundheit der Spieler und Zuschauer. Grund genug für die Oberligisten TSV Emmelshausen und FC Karbach, das Hunsrück-Derby, für das 500 Besucher erlaubt waren abzusagen. Eine Zahl, die für Verwunderung sorgt, wenn aktuell in der 80 000-Zuschauer-Arena in Dortmund 300 Fans zugelassen sind. „Es hätte sich nicht richtig angefühlt zu spielen“, sagt Karbachs Vorsitzender Daniel Bernd.
Noch trotzen die Verbände, der Fußballverband Rheinland und der Südwestdeutsche Fußballverband, der zunehmenden Zahl der Verlegungen und Absagen, der Ball soll weiter rollen – zumal es laut einer Studie für den Fußball im Freien bislang keinerlei Nachweise für ein Infektionsgeschehen dort gibt. Gut möglich allerdings, dass die Wucht der zweiten Welle stärker ist als alle Bemühungen. Zumindest bei Thomas Dubravsky, dem Vorsitzenden des Fußball-Kreises Bad Kreuznach, schwingt Resignation mit: „Ich habe das Gefühl, dass wir vor Weihnachten kein Fußball mehr spielen werden.“
Autor
Rhein-Zeitung