24.10.2020
Fußballverband will seinem Auftrag nachkommen – Aber kein Verein wird zum Spielen gezwungen
Koblenz. Als sich sein Verband Mitte Mai dazu durchgerungen hatte, die Corona-Saison 2019/20 abzubrechen, da wagte Walter Desch einen Blick nach vorne. „Einen Start am 1. September fände ich schön. Aber ich bin skeptisch, ob wir in diesem Jahr überhaupt noch mal spielen“, sagte der Präsident des Fußballverbandes Rheinland (FVR) damals in einem Interview mit unserer Zeitung. Inzwischen hat sich gezeigt: Es wurde und wird wieder Fußball gespielt, auch sind vielerorts mehr als die von Desch im selben Gespräch erhofften „100 gut um den Platz verteilten Zuschauer“ möglich. Doch es ist auch klar: Die zweite Welle der Pandemie bricht gerade über unsere Region herein, was der Fußball schon zu spüren bekam, noch ehe die ersten Corona-Ampeln die Farbe wechselten.
Nach dem ersten größeren Ausbruch im Kreis Neuwied, der Anfang Oktober gar eine kurzfristige Generalabsage im Fußballkreis Westerwald/Wied zur Folge hatte, sowie diversen positiven Testergebnissen und Quarantänemaßnahmen quer durch die Vereine und Spielklassen ist nun im Kreis Westerwald/Sieg die nächste Stufe erreicht: Rund um Altenkirchen bleiben am Wochenende Zuschauer außen vor, auch gelten strenge Regeln für den Trainingsbetrieb.
Doch der Fußball soll weiter rollen, was nicht überall auf Verständnis stößt. Wie könnte der richtige Weg aussehen? Eine Antwort hat der Fußballverband Rheinland jetzt gegeben. „FVR hält Spielbetrieb aufrecht“, ist eine Mitteilung überschrieben, die der Verband herausgegeben hat. Gleich im ersten Satz stellt Präsident Desch als Unterzeichner fest: „Der Fußballverband Rheinland (FVR) wird seinen Spielbetrieb aufgrund der Corona-Pandemie derzeit nicht unterbrechen. Die unterschiedlichen Verfügungen in den Kreisen bedingen kein flächendeckendes Aussetzen des Spielbetriebs. Auch die Regelungen von Zuschauerzahlen fallen ausschließlich in die Verantwortung politischer Gremien.“
Frei übersetzt könnte man sagen: Sport ist Sport und Politik ist Politik – dann weiß das Coronavirus jetzt, woran es sich in den kommenden Wochen und Monaten zu halten hat. Wie vertrackt die Lage ist zeigen die Beispiele vieler Mannschaften, die in den vergangenen Tagen ihre politische Verwaltungseinheit verließen, um jenseits ihrer Kreisgrenze zu trainieren. Was auf dem eigenen Platz (aus Gründen) verboten war, war ein paar Kilometer weiter erlaubt. Über Sinn und Unsinn lässt sich trefflich streiten, wenngleich hinter den Entscheidungen der Vereine oft sportliche Notwendigkeiten stehen – oder das, was man kurzfristig als notwendig erachtet.
Denn klar ist: Mannschaften, die oberhalb der Spielklassen des FV Rheinland angesiedelt sind, etwa in der im Regionalverband Südwest angesiedelten Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar, müssen auswärts durchaus zu spielen antreten, auch wenn sie auf ihrem eigenen Platz nicht mal trainieren dürfen. Corona macht es auch in diesem Lebensbereich den Menschen nicht leicht.
Für den FVR ist jetzt unter anderem geregelt, „dass das Ausscheiden aus dem Spielbetrieb nach zweimaligem Nichtantreten nicht automatisch erfolgt“, wie der Verband mitteilt. „Es gilt der Grundsatz, dass da, wo es möglich ist, auch gespielt wird.“
Der FVR begreife es nach wie vor als seinen Auftrag, den Spielbetrieb, wo immer und wann immer möglich, zu organisieren und damit sicherzustellen. Einige Vereine hätten Bedenken, die meisten Vereine wollten nach wie vor spielen und würden eine Unterbrechung des Spielbetriebs, ohne eine entsprechende, behördliche Verfügung, nicht akzeptieren, heißt es in Deschs Schreiben. Und weiter: „Solange die aktuell geltenden Verfügungen Training und Wettkampf im Fußball nicht untersagen, wird der FVR daher keine Maßnahmen ergreifen, die seinen Vereinen die Möglichkeit nimmt, Trainings- oder Wettkampfsport auszuüben.“
Grundlage der Entscheidung des FVR ist eine Studie, die die DFL und der niederländische Fußballverband in Auftrag gegeben haben. Darin heißt es, dass es „für den Fußball im Freien bislang keinerlei Nachweise für ein Infektionsgeschehen“ gebe. Eine Vorabveröffentlichung der wichtigsten Ergebnisse eines aktuellen Gutachtens von Prof. Dr. Tim Meyer bestätige diese Feststellungen.
„Natürlich wird und kann der Fußballverband Rheinland keinen Verein zwingen, Fußball zu spielen“, betont Desch. „Mit dem Aussetzen des Ausschlusses aus dem Spielbetrieb wird den Vereinen zumindest aber die Sorge genommen, bei zweimaliger Absage eines Spiels für den Rest der Saison automatisch gar nicht mehr antreten zu dürfen.“ Klar sei dem Verband, dass die unterschiedliche Verfügungslage in den Kreisen ein großes Problem für die Vereine bleibe. „Der wichtigste Grundsatz dazu lautet, dass immer die Verfügungslage desjenigen (Land-)Kreises gilt, wo das jeweilige Spiel stattfinden soll“, heißt es seitens des FVR. Wie lange das so bleibt, kann in der gegenwärtigen Situation wohl niemand vorhersagen.
Autor
Rhein-Zeitung