Die Mehrheit der Rheinlandligisten ist dafür, nicht mehr weiterzuspielen – Nach viel Gegenwind ändert auch Präsident Walter Desch seine Meinung
Region. Es brauchte am Montagabend ungefähr fünf Minuten, da kannten die Vereinsvertreter der Fußball-Rheinlandligisten die Richtung, in die sich das Szenario mit jetzt offenbar großen Schritten bewegt. Nachdem der Rheinlandliga-Spielleiter und Verbandsspielausschussvorsitzende Bernd Schneider (Wissen) die Telefonkonferenz eröffnet und das Wort an den Präsidenten des Fußballverbandes Rheinland (FVR), Walter Desch, weitergegeben hatte, sorgten dessen Worte schnell für Klarheit: Die Fußballsaison 2020/21 steht vor dem Abbruch.
Dem Ball hinterherjagen, das müssen Ajdin Sukalic (rotes Trikot) und seine Mitspieler des Ahrweiler BC in dieser Fußballsaison nicht mehr. Die Rheinlandligisten haben sich einhellig für einen Abbruch entschieden. Und der Anstieg der Infektionszahlen und die auch durch das Aussetzen der Impfung mit dem Impfstoff Astrazeneca immer schlimmere Situation der Corona-Pandemie hat nun auch das Präsidium des Fußballverbandes Rheinland umgestimmt: Bei der Beiratssitzung am 27. März soll die Saison im Rheinland komplett abgebrochen werden. Foto: Vollrath
Diese Empfehlung werde Desch in die Sitzung des FVR-Beirats am 27. März einbringen. Zuletzt hatte der Präsident über die rheinländische Fußballlandschaft immer noch auf eine mögliche Saisonfortsetzung gehofft, mit dem 18. April sogar schon ein Datum für die denkbare Wiederaufnahme des Spielbetriebs in den Raum geworfen und aus Reihen der Vereine dafür teilweise viel Unverständnis und auch Gegenwind geerntet. Gespräche mit dem rheinland-pfälzischen Innenministerium hätten nun endgültig aufgezeigt, dass in Anbetracht steigender Corona-Infektionszahlen und Inzidenzwerte in den nächsten Monaten nicht an Amateursport zu denken sei.
Nach Angaben eines Teilnehmers soll Desch erklärt haben, die vor gut zwei Wochen Einzug haltenden Nachrichten über Öffnungen und Lockerungen von Maßnahmen hätten beim FVR-Präsidenten zu einer zu euphorischen Wahrnehmung geführt, auch den Fußball nach Möglichkeit wieder an den Start zu bringen. Dieses Thema scheint sich jetzt bis auf Weiteres erledigt zu haben, was der Auffassung der Vereine aus der höchsten Verbandsklasse entspricht.
Die teilnehmenden Trainer, Vorsitzenden und Abteilungsleiter sprechen flächendeckend vom einzig richtigen Schritt, dessen Finalisierung durch den Verbandsbeirat Ende des Monats offenbar nur noch Formsache zu sein scheint. Mehr als drei Viertel der Rheinlandligaklubs stehen laut Bernd Schneider hinter dieser Empfehlung. Allerdings hält sich der Wissener mit Voraussagen noch zurück: „Eine Zusage über einen Abbruch können wir noch nicht geben. Wir warten ab, was die Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März bringt, und werden natürlich sehen müssen, wie unser Verbandsbeirat entscheidet.“ Er bestätigte, dass die Annullierung als Vorlage in die Sitzung eingebracht werden soll.
Kurios für Kim Kossmann: Zwei Abbrüche in anderthalb Jahren
Keine große Überraschung war die Ankündigung des Saisonabbruchs für Kim Kossmann, den Trainer der Rheinlandligamannschaft der SG 99 Andernach. „Man konnte sich nun über Wochen auf diese Entscheidung vorbereiten, die wir als absolut richtig empfinden. Doch es tut natürlich etwas weh. Als Tabellenführer hätten wir gerne weitergemacht und die guten Leistungen bestätigt“, sagt Kossmann und ergänzt: „Es ist schon kurios, dass ich in meiner eineinhalbjährigen Zeit als Trainer zwei Abbrüche erlebt habe. Einen auf einem Abstiegsplatz, nun auf Platz eins. Es ist aber gut, dass nun Klarheit herrscht. Wir hoffen auf den Neustart im Spätsommer. Dann ist es bald ein Jahr ohne Fußball, man vermisst die Geselligkeit schon sehr.“
Etwas mehr enttäuscht über die Entscheidung ist Harald Heinemann, der Fußball-Abteilungsleiter der SG Mendig/Bell. „Man ist natürlich enttäuscht. Nachdem man letzte Woche mit leichtem Training beginnen konnte, war etwas Optimismus da. Aber die steigenden und unterschiedlichen Inzidenzwerte in den Kreisen haben schnell gezeigt, dass es sehr schwierig werden würde. Daher haben auch wir für einen Abbruch gestimmt“, erzählt Heinemann, dessen SG Eintracht auf dem dritten Tabellenplatz steht und gerne an die guten Leistungen vom September und Oktober angeknüpft hätte. „Aber es war auch spürbar, dass es nicht leicht werden würde nach dieser langen Pause, schnell wieder die richtige Motivation aufzubringen. Wir müssen jetzt abwarten, wie der Verband hinsichtlich des Pokalspiels gegen Rot-Weiß Koblenz entscheiden wird, da haben wir derzeit noch gar keine Idee“, sagt Heinemann, der damit auf das Spiel der dritten Rheinlandpokalrunde gegen den Regionalligisten aus Koblenz anspielt. Wenigstens den Rheinlandpokal wollte und will der Verband um Walter Desch unbedingt zu Ende bringen. Dabei geht es auch um viel Geld des Namenssponsors.
Ob Rheinlandpokal oder Rheinlandliga, für Tobias Uhrmacher, den Trainer des TuS Mayen, ist ein Saisonabbruch „die logische Konsequenz aus der jüngsten Entwicklung“. Unter den derzeitigen Umständen konnte sich Uhrmacher eine Fortsetzung der Saison auch nicht mehr vorstellen. „Klar hätten wir unseren guten sportlichen Lauf gerne fortgesetzt, aber es gilt nun einfach, auch den gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen“, sagt Uhrmacher. Die Eifeler hatten bis zum Saisonabbruch in neun Spielen viermal gewonnen und den fünften Platz belegt.
Metternichs Lommer: Ich hoffe, dass Jugend noch spielen kann
Während Andernach, Mendig/Bell und Mayen vorn in der Rheinlandliga platziert sind und bei einer Fortsetzung der Saison noch um den Aufstieg hätten mitspielen können, bedeutet der Abbruch für Aufsteiger FC Metternich, auf Nichtabstiegsplatz zwölf positioniert, den Klassenverbleib. Das ist aber nicht der Grund, warum Tobias Lommer, Spieler und 2. Vorsitzender Germania, sagt: „Der Saisonabbruch und die Annullierung ist absolut nachvollziehbar und unvermeidlich. Eine Saison unter den Restriktionen zu Ende zu führen, im Rahmen des angedachten Zeitraumes, ist schlicht nicht möglich. Die schwierigen Bedingungen hinsichtlich Verletzungsgefahr und englischer Wochen sind hinlänglich diskutiert worden.“ Das sieht der umtriebige Lommer jedenfalls so für die Rheinlandliga. „Für den Jugendbereich ist es schwerer zu sagen. Da hoffen wir noch darauf, dass, in welcher Form auch immer, zumindest ein wenig gespielt werden kann“, sagt Lommer.
Gar nicht gut gelaufen ist die Saison bisher für den Ahrweiler BC, der in der vergangenen Spielzeit noch um die Meisterschaft gespielt hatte. Beim Saisonstopp im vergangenen Jahr belegte der ABC punktgleich mit dem Vorletzten SG Ellscheid und dem Drittletzten TuS Montabaur den 15. Platz. „Wir haben uns klar für den Abbruch ausgesprochen. Es ist derzeit nicht zu bewerkstelligen. Für die Spieler ist es gefährlich ohne richtige Vorbereitung. Auf die Vereine kämen Kosten zu, ohne dass man Zuschauereinnahmen hat“, erklärt ABC-Abteilungsleiter Gianfranco Di Francesco und betont: „Jeder will gerne spielen, wenn es nur möglich wäre. Auch wenn für unseren Verein Abstiegsgefahr bestand, hätten wir gerne die Saison irgendwie fortgesetzt und waren überzeugt, dass wir die Klasse mit der vorhandenen Qualität sicher gehalten hätten. Nun besteht aber endlich Planungssicherheit, das ist für alle Beteiligten wichtig.“
Sportlich profitieren vom Abbruch wird auch der SV Windhagen. Das Team von Trainer Richard von Klaas hätte als Schlusslicht mit vier Punkten Rückstand die Saison fortgesetzt. „Es ist gut, dass nun Klarheit herrscht und somit Planungssicherheit. Wir hätten uns unabhängig unserer Tabellensituation für einen Abbruch entschieden“, sagt von Klaas. Für den Windhagener Trainer macht eine Fortsetzung der Saison keinen Sinn. „Aufgrund der steigenden Werte ist unklar, wann wir überhaupt wieder auf den Platz gekonnt hätten. Eigentlich wollten wir in dieser Woche mit dem kontaktlosen Training beginnen. Eine ungenügende Vorbereitung reicht nicht, da ist der Gesundheitsaspekt ganz entscheidend, gerade nach dieser langen Zeit ohne Training“, begründet von Klaas.
Mit 1:0 besiegte die SG Andernach (blaue Trikots) den TuS Mayen im Rheinlandligaderby Mitte September, es war damals der dritte Spieltag, und sogar Zuschauer waren zugelassen. Mittlerweile sind sich fast alle einig, wie sich auch bei einer Telefonkonferenz mit den Rheinlandligaklubs herausgestellt hat, dass die Saison abgebrochen werden muss. „Die Entscheidung ist absolut richtig, sie tut aber auch etwas weh“, sagt Andernachs Trainer Kim Kossmann, der mit seinem Team an der Spitze steht, aber nun nicht mehr aufsteigen kann. Foto: Andreas Walz
Malbergs Heun wunderte sich über das Herumgeeiere
Bei den Rheinlandligisten aus den Kreisen Westerwald und Altenkirchen herrscht ebenfalls Einigkeit darüber, dass die unterbrochene Saison bald eine abgebrochene sein soll. „Das wäre die vernünftige und richtige Lösung. An Fußball ist momentan nicht zu denken. Wir sollten nach vorne schauen und guter Dinge auf eine Saison 2021/22 hinarbeiten, dann hoffentlich wieder mit Zuschauern“, sagt Thomas Nauroth, Vorsitzender des VfB Wissen. Auch für Marco Schütz, noch Vorsitzender der SG Neitersen/Altenkirchen, war dieses Ergebnis „völlig klar“: „Ich konnte die Irritationen, die Walter Desch angeschubst hat, indem er zunächst meinte, die Saison sollte, wenn irgendwie möglich, fortgesetzt werden, nicht verstehen. Jetzt haben wir Planungssicherheit. Alles andere wäre Käse gewesen.“
In die gleiche Richtung äußert sich Volker Heun. Der Trainer der SG Malberg sagt: „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was dieses Herumgeeiere soll. Wie hätte man es verkaufen und erklären sollen, dass Amateurfußball gespielt wird, aber Geschäfte nicht öffnen dürfen? Wir wissen nun einmal nicht, wo die Reise mit dem Virus hingeht. Ich bin froh, dass jetzt wohl Klarheit einkehrt. Man sollte vorsichtig ins Auge fassen, nach einer möglicherweise längeren Pause Anfang September mit der neuen Saison zu starten. Das könnte realistisch sein, aber wir müssen natürlich abwarten, was in nächster Zeit passiert.“
Zufrieden mit der Telefonkonferenz der Rheinlandligisten und dem Ergebnis ist auch Christian Schneider, Sportlicher Leiter beim TuS Kirchberg: „Es ist erst einmal gut, dass offen mit dem Thema umgegangen worden ist und die Vereine mit auf den Weg genommen wurden. Es herrscht bei den Rheinlandligisten Einigkeit, dass es zum Abbruch keine Alternativen gibt.“ Warum, erklärt Schneider so: „Mit einer kurzen Vorbereitung so eine hohe Belastung, das wäre den Vereinen nicht zuzumuten gewesen, das macht keinen Sinn. Zum Rheinlandpokal wurde gesagt, dass vielleicht versucht wird, den Endspieltag zu verlegen und dann die weiteren Runden in die Vorbereitung der nächsten Saison zu integrieren, das waren aber nur Gedankenspiele. Genauso wie die Gedanken, eventuell aus der 18er-Liga kommende Saison zwei Neunerligen zu machen. Für uns wäre das nicht attraktiv, wenn wir dann in den Westen müssten, aber das wurde nur mal angedacht. Man muss das alles mal abwarten. Wir hoffen alle, dass irgendwann die Impfungen so fortgeschritten sind, dass man mit Beginn der neuen Runde wieder mit Zuschauern spielen kann.“ lkl, rwe, mb, ros, sle
Anmerkung: Die Saison soll abgebrochen werden. Weil die Hinrunde in der Rheinlandliga noch nicht beendet wurde, ist keine Wertung möglich, sodass es weder Auf- noch Absteiger gibt. Sportlich ist das zum Beispiel für Mannschaften wie die SG 99 Andernach und die SG Eintracht Mendig/Bell, die vorn in der Tabelle platziert sind, schade. Dafür profitieren Mannschaften wie das Schlusslicht SV Windhagen und die ebenfalls abstiegsgefährdeten Klubs Ahrweiler BC und FC Metternich.
Autor
Rhein-Zeitung