Was die Vereine von den Plänen des Verbandes halten – Die einen sorgen sich um Kreis und Niveau, die anderen sehen Perspektiven
Die überregionalen Jugendfußballligen sollen zur nächsten Saison ein neues Gesicht bekommen. Der Fußballverband Rheinland (FVR) will sie bei den A-, B-, C- und D-Junioren nicht nur aufstocken, sondern auch noch mehr nach geografischen Aspekten einteilen. (Die RZ berichtete.) Die Rheinlandligen sollen in den jeweiligen Altersklassen zudem nach einem Play-off-System spielen. Damit würde es bei einer etwaigen erneuten Corona-Unterbrechung einfacher, die Saison noch zu Ende zu bringen.
Weiteres Ziel der Aktion, so der Verband, sei es, neue Anreize und Abwechslung zu schaffen, indem etwa Mannschaften künftig auch
mal gegen andere Gegner als bisher antreten können. Auch die „sportliche Qualität“, so der Wunsch von Peter Lipkowski, solle dadurch in den Ligen gesteigert werden.
Eine Vorstellung, die auf Kreisebene nicht durchweg geteilt wird. Kreisjugendleiter Dieter Jerrentrup lehnt sie sogar durchweg ab. „Das ist mit ein Grund dafür, warum ich von meinem Amt zurücktrete“, erklärt er, der den Posten nur noch bis zum 30. Juni bekleidet. Mit der Umsetzung des Vorhabens könne sich dann sein Nachfolger beschäftigen, meint er erleichtert: „Da bin ich heilfroh.“
Freilich muss ein Nachfolger erst noch gefunden werden. Was ihn an der Reform stört? „Dass der FVR im eigenen Saft schmort und sich nicht um die Belange der Kreise kümmert“, antwortet Jerrentrup. Das habe sich schon bei der Einführung der D-Junioren-Rheinlandliga vor zwei Jahren und den kurzfristig beschlossenen Aufstiegsspielen im vergangenen Corona-Sommer gezeigt, als auf Rhein/Ahr-Ebene 30 Spiele innerhalb weniger Tage ausgerichtet werden mussten.
Statt solide zu planen und vor allem auch erst einmal abzuwarten, wie viele Mannschaften nach der langen Corona-Pause nicht mehr angemeldet werden („Einige“, fürchtet Jerrentrup), sei diese Reform „übers Knie gebrochen“ worden. Das findet auch Gerd Treffer, Jugendleiter beim Ahrweiler BC: „So hat es etwas von Aktionismus. Die Vereine hätten die Möglichkeit bekommen sollen, sich vorher dazu zu äußern.“
Jerrentrup fürchtet nun, dass die Reform zum Leidwesen der Kreise geschehe: „Die Kreise bluten aus. Da spielen ja bald mehr Mannschaften überkreislich als in den Kreisen.“
Eine Gefahr, die auch Frank Loosen sieht. Er ist nicht nur Vorsitzender des JFV Zissen (derzeit mit den A-,B- und C-Junioren in der Bezirksliga vertreten), sondern zudem Mitglied im Verbandsjugendausschuss. Auch er sagt: „Man muss beachten, dass die Kreise nicht ausbluten.“ Wie sich das verhindern lässt? Das kann Loosen auch noch nicht sagen: „Da habe ich noch keine Idee, aber man muss eine Lösung finden.“
Schließlich dürfe es nicht so weit kommen, dass man künftig für Spiele unterhalb der Bezirksliga mangels Gegnern aus der Umgebung weiter fahren müsse als auf überkreislicher Ebene. „Es wird dann so kommen wie in anderen Sportarten mit weniger Mannschaften, wo man schon mal 50 Kilometer zu einem Spiel fahren muss“, glaubt Jerrentrup.
Auch Loosen fürchtet, dass die Corona-Pandemie negative Folgen zeitigt: „Die böse Überraschung steht uns noch bevor.“ Trotzdem: Ganz verkehrt findet er das Vorhaben des FVR nicht: Der Playoff-Modus zum Beispiel biete die Gelegenheit, eine Saison mit Endergebnis sowie Auf- und Absteiger zu Ende zu bringen. „Und es schafft die Möglichkeit, dass auch mal Mannschaften aufsteigen, die sonst nicht dort vertreten sind.“
Gerd Treffer vom Ahrweiler BC, der mit fünf Teams überregional vertreten ist, sieht hingegen Probleme gerade auf Breitensportvereine zukommen: „Für sie könnte es schwer werden.“ Weil nämlich zum einen die Ligen auf Kreisebene durch den Verlust an Mannschaften weniger attraktiv würden, während die überkreislichen Klassen für sie wieder zu hoch sein könnten.
Was den vom FVR erhofften Attraktivitätsgewinn für Bezirks- und Rheinlandligen betrifft, kann er die Argumentation des Verbands nicht nachvollziehen: „Durch die größeren Ligen wird die sportliche Qualität verwässert, sie wird darum leiden.“
Weshalb der ABC, mit fünf Teams überregional vertreten, zum Beispiel mit seiner D-Jugendmannschaft nun an der Relegation zur Rheinlandliga teilnehmen wird, nachdem er vor zwei Jahren noch auf die Klasse verzichtet hat: „Jetzt werden wir es wohl müssen, weil die Bezirksliga nicht so interessant ist.“ Die Überlegung, die Ligen mehr nach geografischen Aspekten neu zu ordnen, begrüßt er hingegen, und auch den Ansatz, im Play-off-Modus zu spielen, kann er gut nachvollziehen.
Bei der JSG Westum sieht man der Reform der überkreislichen Ligen positiv entgegen, die A-Junioren etwa (Foto) könnten demnächst in der Bezirksliga spielen. Freilich teilt auch die JSG die Sorge, dass für die Kreise durch die Aufstockung der oberen Klassen Probleme entstehen könnten. Foto: Vollrath
Sorgen vor zu weiten Fahrten bereiten Erwin Ritterrath, Jugendleiter beim SV Westum, der mit Bad Bodendorf und Löhndorf eine
JSG bildet, ohnehin wenig Kopfzerbrechen. „Es ist auch schon vorgekommen, dass wir auf Kreisebene mit einer unserer Mannschaften nach Wershofen mussten. Da kann ich dann auch nach Emmelshausen fahren“, sagt er.
Mit Blick auf die Reform des FVR sieht er das Glas eher halb voll: „Ich finde es positiv, wenn so eine neue Dynamik entsteht und Bewegung reinkommt.“ Schließlich kämen die geplanten Veränderungen der JSG Westum auch zugute. Die sieht er auf der Schwelle zwischen Bezirks- und Rheinlandliga. „Unser Ziel ist es grundsätzlich, auf Bezirksebene zu spielen. Da ist jetzt für uns mehr möglich“, meint Ritterrath, wobei er einschränkt: „Der daraus resultierende Nachteil für die Kreisebene ist dann die Kehrseite der Medaille. Aber es muss ja nichts in Stein gemeißelt sein.“
Ähnlich empfindet es Michael Kehl, Jugendleiter bei der JSG Remagen, mit vier Mannschaften überhalb der Kreisebene aktiv: „Ich finde die Pläne nicht schlecht. Man wird nie eine Lösung finden, die zu 100 Prozent allen gerecht wird.“ Für die JSG könnte zum Beispiel die zweite C-Jugendmannschaft von der Reform profitieren, die jetzt als Zweiter der Kreis-Staffel eins die Chance zum Aufstieg in die Bezirksliga hat.
Pragmatisch geht auch Arno Fuchs, der Jugendleiter der JSG Grafschaft die Sache an: „Wir sind nicht himmelhoch jauchzend glücklich, aber auch keine Kritiker. Zumal wir auch profitieren könnten.“ So hat die C-Jugend nun die Möglichkeit, in die Bezirksliga aufzusteigen. Und die DJugend, zuletzt in der Bezirksliga Drittletzter geworden, kann nicht nur in der Klasse bleiben, sondern auch hoffen, sich dort zu etablieren: „Denn das Niveau wird durch die Aufstockung natürlich sinken“, glaubt Fuchs.
Das sei zwar grundsätzlich kein Vorteil, aber eben nur das kleinere Übel: „Zuletzt gab es doch nur Notlösungen mit Verwerfungen. Der Fußballverband Rheinland muss nun einfach die Dinge angehen und dem Gesamtziel gerecht werden, dass so viele Kinder wie möglich spielen.“
Und da sieht er erhebliche Gefahren: „Gerade in den älteren Jahrgängen gibt es bald gar keine Leistungsklassen mehr. Wir mussten jetzt unsere A-Jugend abmelden, weil nur noch neun Spieler da waren. Und wir werden nicht die Einzigen bleiben.“ Die B-Junioren konnten nur gemeldet werden, weil die C-Jugend aushilft.
Insofern sieht er die Reform als das kleinere Übel: „Sie bringt zwar eine Niveauverringerung mit sich, aber es geht doch erst mal nur darum, überhaupt den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten.“
Autor
Rhein-Zeitung