Beirat des FVR hat am Samstag das (vielleicht) letzte Wort – Ergebnis der heute endenden Umfrage ist für Verband „kein verbindliches Votum“
Region. Nach Wochen der Ungewissheit und vielen Fragezeichen brechen jetzt die Tage der Perspektiven und Antworten an. Noch bis zum heutigen Dienstag gibt der Fußballverband Rheinland (FVR) seinen Vereinen die Möglichkeit darüber abzustimmen, wie es aus ihrer Sicht weitergehen soll. Konkret können die Klubs sagen, ob sie dafür oder dagegen sind, dass alle bisher ausgetragenen Meisterschaftsspiele in allen Alters- und Spielklassen annulliert werden, es in der Folge weder Auf- noch Absteiger geben kann und somit die Einteilung der Klassen für die neue Saison denen der bereits seit Ende Oktober unterbrochenen Spielzeit 2020/21 entsprechen wird.
Das Ergebnis werde für den FVR-Beirat, das höchste Gremium des Verbandes, „kein verbindliches Votum darstellen, bei der Beschlussfassung aber ein gewichtiges Argument darstellen“, heißt es in einer Pressemitteilung des FVR, in der das Präsidium die Vorgehensweise bei der Saisonplanung rechtfertigte.
Der FVR habe sich, wie der gesamte deutsche Sport, an die jeweiligen Verfügungslagen von Bund und Ländern zu halten, wird ausgeführt. Diese seien seit Beginn der Pandemie vielfach gelockert und wieder verschärft worden, was zu einer Abhängigkeit des Sports von den Reaktionen der Politik auf die Pandemieentwicklung geführt habe. „Selbstverständlich“, so der Verband, „hat der FVR an der Hoffnung auf eine Fortsetzung der Saison so lange festgehalten, wie es dafür eine realistische Chance gegeben hat.“ Konkret: „Erst als sich die befürchtete dritte Welle Anfang März tatsächlich zu realisieren begann, erschien es zunehmend unmöglich, die Saison noch auf sportlichem Weg zu beenden.“
Seinen Standpunkt, der zum Gradmesser allen Handelns avancierte, hatte der FVR am 8. Februar in der ersten seiner insgesamt sechs Videokonferenzen mit Vereinsvertretern dargelegt. Wenn nach staatlicher Verordnungslage gespielt werden dürfe, müsse auch gespielt werden, erklärte Rechtswart Norbert Weise damals und stellte zugleich in Aussicht, dass ein Saisonende über den 30. Juni hinaus möglich sei, „wenn zwei, drei Wochen fehlen“.
Von diesem Moment an wurde die Frage nach der Perspektive für den unterbrochenen Spielbetrieb auch zu einem Zählen von Wochen. Wie viele Spiele sind in den jeweiligen Klassen noch notwendig, um den für eine sportliche Wertung der Saison unabdingbaren Abschluss der Hinrunde zu erreichen? Und – noch entscheidender – wie viel Zeit steht dafür überhaupt zu Verfügung? Gerade aus den Reihen der überkreislich spielenden Mannschaften wie den Rheinlandligisten kam in diesem Zusammenhang früh der Hinweis, dass eine x-beliebige Zahl an englischen Wochen bei Auswärtsfahrten kreuz und quer durchs Verbandsgebiet unzumutbar sei. Die Frage nach Zuschauern und damit verbunden der finanziellen Darstellbarkeit eines Spielbetriebs in höheren Klassen war dabei noch ausgeklammert. Genauso die genaue Definition von „notwendig“ mit Blick auf die Dauer einer vernünftigen Vorbereitung nach rund fünfmonatiger Trainingspause.
Dreimal konnten die Spieler des Ahrweiler BC, hier die Torhüter Lukas Litschel (links) und Alex Gorr (rechts), wieder auf den Trainingsplatz, um sich nach langer Pause mal wieder zu bewegen und strecken – da ist es schon wieder vorbei angesichts des wieder in Kraft getretenen Kontakt- und Trainingsverbots. Am Samstag könnten auch für die Saison 2020/21 die Lichter ausgehen. Foto: Ahrweiler BC
Die bislang vorletzte Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel brachte einen ersten Wendepunkt. In dem Anfang März verkündeten Stufenplan fand der Amateursport erstmals Erwähnung, nachdem von vielen Seiten Lobbyarbeit in Sachen Breitensport betrieben worden war. Die Richtschnur, die seitens der Politik damals verkündet wurde, hangelte sich an Inzidenzwerten unter 50, zwischen 50 und 100 und über 100 entlang. Das habe einen „nicht viel schlauer gemacht“, reagierte Bernd Schneider, der FVR-Spielausschussvorsitzende und Spielleiter der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saar, skeptisch auf die Ergebnisse des Bund-Länder-Gipfels. Die Lage bleibe verzwickt, ahnte Schneider schon da. Er sollte recht behalten.
In den Ländern wurde nachgeschärft, was insbesondere dem Trainingsbetrieb zugutekam, den auch im FVR die Vereine ab dem 8. März unter strengen Auflagen wieder aufnehmen durften. Die meisten Freiheiten gab es für den Nachwuchs, dem nach ersten Irritationen dann unter gewissen Voraussetzungen sogar „richtiger Fußball“, also Training mit Kontakt erlaubt war. In einem Interview mit unserer Zeitung stellte FVR-Präsident Walter Desch einen Tag nach Inkrafttreten der Corona-Verfügung des Landes sogleich seinen Wunschtermin für den Start des Spielbetriebs in Aussicht: Am 18. April solle es losgehen, wenn es die Entwicklung der Corona-Pandemie zulasse. Doch dieses Virus nimmt auf Wünsche keine Rücksicht, ganz gleich, wer sie ausspricht.
Viele Vereinsvertreter aus unterschiedlichen Klassen, so der Eindruck, haben das schon lange akzeptiert und ihrerseits die Saison abgehakt. Tenor in etlichen Aussagen gegenüber unserer Zeitung: Training ja, wenn es wieder geht, und eine vernünftige Vorbereitung, damit es im Sommer einen Neustart unter hoffentlich besseren Bedingungen geben kann.
In seiner Stellungnahme sagt das FVR-Präsidium: „Geplant war von Anfang an, dass der FVR die Saison auf sportlichem Weg beschließen will – zwischenzeitlich gab es auch Anlass zur Hoffnung. Noch im Februar sprachen sich deshalb auch die Vereine in den Videokonferenzen mit der Verbandsführung mehrheitlich für eine Fortsetzung aus.“
Wie der Begriff „mehrheitlich“ zustande kam, könnte in diesem Zusammenhang diskutiert werden. In der ersten digitalen Zusammenkunft etwa wurde nicht explizit abgestimmt. Der Wert einer solchen Debatte dürfte zum jetzigen Zeitpunkt aber kaum von Nutzen sein. Weiter führt das Präsidium in seiner Rechfertigung aus: „Sich an der Realität zu orientieren, ist deshalb kein Zeichen mangelnder Führung, sondern zwingende Voraussetzung für kluge Entscheidungen, die dann auch die Akzeptanz der Vereine finden.“ Letztlich geht es dem Fußballverband nicht anders als den Entscheidungsträgern in der Politik: Sie legen heute mit Blick auf das Jetzt fest, was morgen schon wieder überholt sein kann. Was dem Volk – in der Gesellschaft wie im Sport gleichermaßen – dabei zu fehlen scheint, ist die viel zitierte Perspektive. Eine verlässliche Aussage, die Gewissheit gibt für das, was kommt. Und hier liegt der Knackpunkt, den der Trainer eines Rheinlandligisten als „Herumgeeiere“ bezeichnete: Allein der Abbruch der Saison taugt als finale Entscheidung – ganz gleich, ob sich dieser später als richtig oder falsch erweisen wird. Jedes Nennen von möglichen Startterminen hingegen droht schon allzu schnell hinfällig zu sein, weil eine Verschärfung der Coronalage eine Planänderung unabdingbar macht. In diesem Spannungsfeld hat sich auch der FVR bewegt, der unbedingt vermeiden wollte, „die Saison ohne Not vorzeitig abzubrechen“, wie das Präsidium in seiner Mitteilung betont. Dies würde „gegen diese Rahmenbedingungen verstoßen, und der Verband würde sich möglicherweise auch Regressforderungen aussetzen“.
In den nächsten Tagen orientiert sich das Handeln des Fußballverbandes Rheinland nun nicht an Befürchtungen, Mutmaßungen und Wünschen, sondern an Fakten. Am Freitag schrieb das Präsidium, dass sich „das Zeitfenster für ein sportlich geprägtes Saisonende“ schließe, wenn sich die Tendenz der dritten Welle fortsetzen sollte und die Ministerpräsidentenkonferenz, die gestern stattfand, nicht eine großzügige Öffnungsstrategie für den Sport beschließen werde. Angesichts der Überschreitung des bundesweiten Inzidenzwertes am Sonntag über die Marke von 100 Infizierten pro 100 000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage blieb die aber aus.
Bis zur Tagung des FVR-Beirats am kommenden Samstag liegt einerseits das Meinungsbild der Vereine aus dem Rheinland vor, daneben sind die Ergebnisse des Gipfels von Kanzlerin und Ministerpräsidenten bekannt und – nicht zu vergessen – die Erkenntnisse aus der am Samstag veröffentlichten und von diesem Montag bis 11. April geltenden 18. Corona-Verfügung des Landes Rheinland-Pfalz. Die Frage ist, ob die Summe der Antworten dann zu einem finalen Ergebnis mit Blick auf die Saison 2020/21 im FVR führt. „Weiterspielen, sofern möglich – unterbrechen, falls nötig“, formuliert der Verband in der jüngsten Stellungnahme seine Strategie des Handelns. Am Samstag hat nun der Beirat das Wort. Spielraum, weiter an der Saison festzuhalten, statt auf Abbruch zu entscheiden, ist auch bei genauer Betrachtung praktisch nicht zu erkennen.
Autor
Rhein-Zeitung