27.10.2021
Zukunft der Stätte war zentrales Diskussionsthema in der Einwohnerversammlung im Sinziger Helenensaal
Bad Bodendorf. Wie funktioniert der Wiederaufbau nach der Flut? Wie wird die Infrastruktur sich verändern, wie können die Menschen im Ahrtal daran mitwirken, und wie sehen die Hilfen für sie selbst aus? In der Versammlung für die betroffenen Einwohner von Bad Bodendorf im Helenensaal in Sinzig mit Behördenexperten zeigte sich nach den Fachvorträgen, dass die drängendsten Probleme ähnlich denen anderer Gebietskörperschaften sind, es aber lokale Besonderheiten gibt.
Für Bad Bodendorf ist es der Sportplatz des SC 1919. Der Spatenstich war gerade erst am 9. Juni vor der Flutkatastrophe erfolgt, und eigentlich hätte der Spielbetrieb im August wiederaufgenommen werden sollen. Nach dem aktuellen, von den Wasserwirtschaftsexperten für Überschwemmungsgebiete angelegten Kataster soll der Sportplatz aber nicht wieder an derselben Stelle aufgebaut werden dürfen. Denn der Platz liegt im Bereich der gelb gestrichelten Linien der Karte, was jede Art von neuer Bebauung untersagt.
"Soll nun diese Katastrophe als Grundlage für alles dienen?"
Heinz Becker, Ehrenvorsitzender des SC Bad Bodendorf
Dieser Umstand stößt bei den treibenden Kräften des SC-Ehrenbeiratsmitglied Klaus Unkelbach und Ehrenvorsitzender Heinz Becker auf Unverständnis. Sie empfinden dies als ungerechte Härte im Vergleich zu anderen Sportplätzen, die wieder reaktiviert werden dürfen. "Das Sportlerheim ist zu 60 Prozent noch in Ordnung", sagte Heinz Becker. Erste Gespräche mit der Stadt Sinzig hätten aber ergeben, dass es eher gewünscht wird, einen neuen Sportplatz an anderer Stelle "auf der grünen Wiese" zu bauen. Das Argument von Joachim Gerke von der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft, bei dem für Kunstrasen verwendeten Granulat handele es sich um wasserschädliches Mikroplastik, trägt bei der Sportplatzvariante in Bad Bodendorf nicht, da kein Granulat verwendet werden sollte. "Wir haben die Diskussion Sportplatz in vielen Orten entlang der Ahr geführt – ich kann da nur sagen: Lasst es bleiben. Das ist nicht hochwasserkompatibel", so Gerke. Heinz Becker setzte dem entgegen: "Beim großen Hochwasser im Jahr 2016 war der Sportplatz nicht überflutet. Soll nun diese Katastrophe als Grundlage für alles dienen?" Der Verein, der sich um den Fortbestand vor allem seiner Nachwuchsarbeit mit rund 300 Kindern und Jugendlichen sorgt, will nun weitere Gespräche mit der Stadtverwaltung und Behördenvertretern suchen.
Auch SPD-Stadtratsmitglied Hartmut Tann fragte sich als Anwohner des Bad Bodendorfer Heinrich-Lersch-Weges, ob sich an den Einteilungen der Überschwemmungsgebiete noch etwas ändern könnte. Hans-Hartmann Munk, stellvertretender Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft der SGD Nord, bejahte dies. Er betonte aber auch, dass es für die Wertigkeit eines Grundstücks unerheblich sei, ob es sich knapp innerhalb oder außerhalb einer Linie befinde. Er betonte aber auch, dass es keinen absoluten Schutz vor Hochwasser geben könnte. "Hochwasserschutzanlagen können versagen. Talsperren und Regenrückhaltebecken können überlaufen. Deshalb sind wir auf dem Weg, dass es eine Pflichtversicherung für jeden gegen Elementarschäden geben soll", meinte Munk. Die bisherigen Gefahrenkarten wurden bundesweit nach EU-Richtlinien erstellt. Es sollen nun neue entstehen, bei denen für jeden verfügbar ist, selbst für den eigenen Wohnort Pegelstände zu ermitteln. Dies bedürfe jedoch einer Menge Vor- und Programmierarbeit. Man solle sich aber von dem Blick auf Pegelstände bei Extremhochwasser verabschieden. "Wir hatten Warnstufe Lila. Das bedeutet schlicht und einfach Lebensgefahr, was jedem bewusst sein muss. Bei Warnstufen dieser Größenordnung Rot oder Lila gilt es, einfach zu handeln – und nicht mehr zu fackeln. Wir hatten eine komplette Überregnung des Ahrtals. Das Hochwasser 2016 war ganz anders, der Blick auf den Pegel in Müsch nutzt Ihnen in Sinzig nichts", führte Munk aus. An der Veranstaltung nahmen unter anderem die Landesbeauftragte für den Wiederaufbau, Staatssekretärin Nicole Steingaß, der Vor-Ort-Beauftragte der Landesregierung, Günter Kern, der Präsident der SGD Nord, Wolfgang Treis, sowie zahlreiche Experten der Behörden teil.
Autor
Rhein-Zeitung